Gibt es eine Dresdner Romantik? Der Versuch, diese Frage zu beantworten, hat in Dresden eine lange Tradition.
Der Charakter der Werke, die man heute der Romantik in Dresden zurechnet, unterscheidet sich in der Literatur und Dichtkunst, der Malerei und Zeichenkunst sowie in der Musik erheblich voneinander. In all ihrer Vielfalt reicht die Epoche der Dresdner Romantik von den ersten Aufenthalten der Gebrüder Schlegel in der Stadt seit 1792 bis zum Tod des Spätromantikers Ludwig Richter im Jahr 1884. Sie hat keine klar umrissene Schule, keinen Stil hervorgebracht, sondern ein Geflecht an persönlichen Verbindungen, künstlerischen Gestaltungsidealen und gegenseitigen Anregungen. Deren gemeinsame Mitte war die individuelle Suche nach einem neuen Weltverhältnis, nach dem Irrationalen und Unermesslichen, dem Wunderbaren und Geheimnisvollen, sowohl in der Geschichte als auch in der Gegenwart.
Es waren die Literaten und Philosophen, die Gebrüder Schlegel, Novalis, und Schelling, die sich 1798 in Dresden trafen und mit ihren „Galerie-Gesprächen“ hier zu Wegbereitern romantischen Denkens wurden. Ihnen folgten die Dichter Heinrich von Kleist, E.T.A. Hoffmann und Ludwig Tieck, die für eine kurze oder längere Zeit die literarische Romantik in Dresden prägten. Die jungen Norddeutschen Caspar David Friedrich und Philipp Otto Runge revolutionierten seit ihrer Ankunft in der Stadt die Landschaftsmalerei ganz grundsätzlich, indem sie die Natur selbst zum Ausdrucksträger romantischer Ideen erhoben. Mit dem Norweger Johann Christian Dahl, der 1818 in die sächsische Residenz zog, mit Carl Gustav Carus, Ernst Ferdinand Oehme und schließlich Ludwig Richter erfuhr sie ihre Weiterentwicklung in unterschiedlichen Ausprägungen zwischen transzendierender Kunst in der Nachfolge Friedrichs und wirklichkeitsbezogenen, dem Realismus näherstehenden künstlerischen Haltungen. Die alte Musikstadt Dresden bot auch der romantischen Musik einen hervorragenden Nährboden, der Komponisten wie E.T.A. Hoffmann, Carl Maria von Weber, Richard Wagner und Robert Schumann zur Schöpfung großartiger Opern, kammermusikalischer und vokalsinfonischer Werke beflügelten.
Dass gerade Dresden zu Beginn des 19. Jahrhunderts zum Zentrum der Romantik in Deutschland aufstieg, hatte viele Gründe. Das Arbeiten „in der Nähe der trefflichsten Kunstschätze, und umgeben von einer schönen Natur“ (Caspar David Friedrich), aber auch die kulturgeografisch günstige Lage auf der Achse Berlin – Dresden – Prag – Wien –Rom und Dresdens Situation als Begegnungsraum zwischen katholischer und protestantischer Spiritualität werden dabei besonders wichtig gewesen sein.
Der im Vorfeld des Caspar David Friedrich-Jubiläumsjahres 2024 gegründete Verein Dresdner Romantik e. V. verfolgt das Ziel, die spezielle Dresdner Ausprägung dieses kultur-, kunst- und geistesgeschichtliche Phänomens stärker ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken.
Uta Neidhardt / Hans Joachim Neidhardt